Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

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61-martin
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from 61-martin on 02/05/2012 07:33 PM

@ JayEl

Richtig, Wissenschaft und Erkenntnistheorie sind gegenseitig aufeinander angewiesen, das wollte ich auch nicht bestreiten.

Ad: Das „Ding an sich" erkennen

Wissenschaft benötigt Theorien, mit denen Versuchsergebnisse gedeutet werden. Wir haben diese Welt nur mittels Deutung, es ist schwer, dahinter zurück zu gehen. Auch Wahrnehmung ist bereits gedeutete Wahrnehmung. Wir nehmen z. B. mit dem Auge nicht einfach Pixel wahr, sondern gedeutete Muster. Schon direkt beim Auge fängt diese Sortierung an, dass z. B. Bewegungen besonders herausgefiltert werden. Deswegen müssen wir einige Wahrnehmung als „optische Täuschung" deuten.

In diesem Sinne stimme ich Kant zu, dass wir das „Ding an sich" nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern nur vermittelt. Alles andere wäre naiv, und gegen diese Naivität sprechen genügend Fakten. Wie gesagt, ich teile Kants Auffassung insgesamt nicht.

ad: Weltbild

Dass es eine Welt außerhalb meines Denkens gibt, ist ein Grundsatz, den man braucht, um Wissenschaft zu betreiben. Aber er ist eben ein Weltbild. Bei diesem Beispiel wird es kaum jemand geben, der das anders sieht. Aber die Definitionen, die Raphael vorgibt, werden nicht von allen geteilt. Dahinter steckt eine bestimmte Wirklichkeits-Auffassung. Ohne die kann man die Wirklichkeit nicht systematisch untersuchen. In diesem Sinne bleibe ich dabei, dass man ein Weltbild braucht.

Aber in einem Punkt lasse ich mich gerne korrigieren: Was die Physik an Ergebnissen liefert, sollte kein Weltbild sein. Da verwechselt man die Physik mit der ganzen Welt. Begriffe wie „Weltformel" lehne ich deshalb aus ähnlichen Gründen ab wie Raphael die allgemeine Verwendung von „Universum".

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61-martin
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from 61-martin on 02/05/2012 07:31 PM

@ Raphael

Beim Erkennen von subatomaren Teilchen geht es nicht nur um Ingenieurskunst, sondern auch um grundsätzliche Grenzen des Erkennens. Die Teilchenbeschleuniger in Genf sind eine große technische Leistung, aber es ist eben schwierig, den Teilchen beim Existieren zuzusehen. Im Moment ist eine bessere Technik nicht vorstellbar.

>>Philosophisch halte ich nichts von Spekulationen über eine eventuelle Nichterkennbarkeit der Realität.<<

Wenden wir das darauf an, dass Menschen einen Lichtstrahl wahrgenommen haben (hat Form und Lokation) und deshalb davon ausgehen mussten, dass Licht ein Objekt ist. Entweder spricht man zumindest in der Vergangenheit von einer Nichterkennbarkeit der Realität oder man lässt das so stehen und nennt das Licht weiter ein Objekt. Hier liegt ein Denkfehler vor.

Ich habe Komplementarität bisher so verstanden, dass wir eben nicht wissen, was da wirklich ist und nur verschiedene Zugänge haben, die leider nicht miteinander in Verbindung gebracht werden können. So ist der Welle-Teichen-Dualismus ein Ausdruck unseres Nicht-Wissens. Die Meinung, da gäbe es einen einfachen „Mechanismus", den wir nur noch nicht kennen und verstehen, ist mindestens genauso Augenwischerei. Die Quantenphysik ist experimentell gut abgesichert. Wieso sollte ich sie wegschmeißen, nur weil sie der Logik des Aristoteles widerspricht, die auf der Syntax der europäischen Sprachfamilie beruht?

Was kann Wissenschaft erklären? Beispiel: Man beobachtet einen Zusammenhang von Massen und Anziehung. Das ganze beschreibt man dann mit dem Gravitationsgesetz. Aber was ist Ursache, was Wirkung? Ist die Masse der Grund der Anziehung? Woher „weiß" eine Masse von einer anderen? Gibt es da vielleicht Gravitations-Teilchen? Oder kann es noch ganz anders sein? Und wenn es Gravitationsteilchen gibt: Sind sie da aufgrund von Masse oder umgekehrt?

Was ich damit sagen will: Jede Erklärung verschiebt eine Warum-Frage nur weiter. Unsere Erklärungen sind Stückwerk, deshalb bleiben Begriffe wie Ursache und Wirkung unklar. Ehrlicher wäre es, neutral von einem mathematisch beschreibbaren Kausalzusammenhang zu reden. Die mathematische Beschreibung und Vorhersagbarkeit ist deren Stärke, nicht eine philosophische Erklärung.

Für mich ist „Existenz" nicht auf das beschränkt, was die Physik dazu sagt. Deshalb habe ich auf das eigene Erleben als Subjekt verwiesen.

Wieso ist die geistige Welt „illusorisch"? Die Selbstwahrfühlung ist fundamental, wenn man das als Illusion ansieht, gibt es keinen Grund, die Wahrnehmung der Welt als Illusion anzunehmen.

Wahrnehmung besteht darin, was Sinnesorgane fühlen. Die Aufteilung Wahrnehmung – Fühlen ist willkürlich.

Ich spüre eine ideologische Notwendigkeit, die Wirklichkeit in Subjekt und Objekt aufzuspalten.

>>alles ist Mechanik<<

Ein großer Satz, der mich ins 19. Jahrhundert entführen will. Und wenn ich ihm nicht folge, bin ich Neo-Okkultist, was bestimmt etwas Böses ist.

Trotzdem ist der Satz falsch, denn diese Welt ist emergent, d. h. es gibt Vorgänge, die lassen sich nicht allen mit Mechanik beschreiben und nicht darauf zurückführen. Für bestimmte Gebiete außerhalb der Physik (Biologie, Soziologie) ist das unbestritten.

Bei der Physik bleibt eben die Atlternative, dass man auf wesentlichen Teilgebeiten nur sagt: „Wir wissen nichts", oder dass man die Quantenphysik als bisherigen Forschungsstand akzeptiert, wenn auch nicht mit allen Nebengassen.

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JayEl
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from JayEl on 02/05/2012 11:06 AM

Wissenschaft braucht Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie, also: Ohne Philosophie geht es nicht. Wer Wissenschaft ohne Konzept betreibt, handelt willkürlich. Man muss sich doch Rechenschaft geben, wie man das betreibt.

Das ist unglogisch. Könnte man ohne Erkenntnistheorie, d. h. dem Resultat von der Wissenschaft über die Erkenntnis, nicht Wissenschaft treiben, dann könnte es keine - richtige - Erkenntnistheorie geben.

Wissenschaft ist einfach Erkenntnistätigkeit. Diese folgt der Sachlogik des Gegenstandes, mit dem sie sich befasst. Richtiges Wissen ist eine richtige Vorstellung des Wesens des Gegenstandes. Diese erlangt man mit Sicherheit nicht, wenn man ganz bewusst eine Methode anwendet, weil man sich für diese Methode anwendet. Um es am Beispiel klar zu machen: Man kann Demokratie eben nicht richtig erklären, wenn man ihre Röntgenstrahlen misst und diese Interpretiert.

Dass man durch Wissenschaft weiß, wie die Dinge an sich sind, ist ein Weltbild, das ich nicht teile. Ich bin kein Kantianer, aber hier hat I. Kant etwas Richtiges erkannt.
Jetzt mal ehrlich, wieso gilt dieser Satz nur für die Theorien, an denen du zweifelst und nicht für die Theorie, die du teilst? Woher weißt du denn, dass Kant hier etwas Rchtiges erkannt hat?

Weltbilder können keine Grundlage für Wissenschaft sein. Strenggenommen können sie nicht einmal das Resultat von Wissenschaft sein. Das Resultat von Wissenschaft ist nämlich Wissen und keine Anleitung etwas nur anders zu betrachten. Dass mit Wissen über eine Sache natürlich auch eine Ansicht der Sache verbunden ist, versteht sich von selbst. Dass mit dem Wissen über die eine Sache auch Ansichten über alles andere verbunden wären, ist ein Fehlurteil.

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Raphael
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from Raphael on 02/05/2012 09:40 AM

Die Frage ist nur, ob wir klar erkennen, was da ist und was nicht. Es wäre naiv, diese Frage als klar beantwortet anzusehen. Man kann nicht die Erkenntnis-Ebene überspringen und so tun, als erkenne man die Welt immer genau so, wie sie ist.

Ob wir die zu untersuchenden Objekte richtig erkennen, ist eine Frage der Beobachtungs- und Meßtechnik, also ein technisches Problem, welches von Ingenieuren gelöst werden muß. Philosophisch halte ich nichts von Spekulationen über eine eventuelle Nichterkennbarkeit der Realität. Ich zitiere da gerne Alice Miller, wie sie über ihre eigenen Erfahrungen schrieb:

Als Kind hatte ich keine andere Möglichkeit, als mich anschweigen zu lassen, die Schuld bei mir zu suchen - und dann später zu versuchen, den Verlust meiner Wahrheit mit philosophischen Spekulationen über die "Unerkennbarkeit der Wahrheit" auszugleichen. Weil die Wahrheit der Fakten unfaßbar war, mußte ich sie leugnen.

- Alice Miller, Abbruch der Schweigemauer, S.29

___________________________

Im Bereich der subatomaren Teilchen kann man die Frage nach der Deutung von Versuchsergebnissen nicht wegschieben.

Nein, kann man nicht. Aber Beobachtung und Deutung sind zwei Paar Schuhe. Die Beobachtungen z.B. im Doppelspaltexperiment sind eindeutig, die Interpretation jedoch nicht. Da kommt es auf das herrschende Modell an. Und die Quantenmechanik liefert leider überhaupt keine rationale Erklärung für das Beobachtete. Wir haben bisher keine Erklärung. Man kann nicht eine unlogische, absurde Interpretation vertreten, nur weil man keine andere hat. Dann muß man eingestehen, daß man den Mechanismus nicht kennt. Aber so tun, als hätte man eine Erklärung, ist Augenwischerei.


Dass Licht als Objekt wahrgenommen wurde, ist eine historische Tatsache.

Nein, ist es nicht. Du sprichst hier von Beobachtung, und man kann nur Objekte beobachten, nicht dynamische Konzepte wie Licht. Licht mag historisch als Objekt gedeutet worden sein (z.B. das absurde Photon), aber hundertprozentig wurde es nicht als Objekt wahrgenommen.


Wissenschaftliche Erklärungen bestehen darin, dass die Wirklichkeit mathematisch beschrieben wird (Naturgesetzte) und die einzelnen Phänomene davon abgeleitet werden können.

Das ist der reduzierte positivistische Anspruch von Leuten wie Hawking, die es aufgegeben haben, rationale Erklärungen zu finden und sich statt dessen lieber in ihre abstrakte Mathematik flüchten. Eine wissenschaftliche Erklärung (eine Theorie) besteht darin, eine Beschreibung der Wirklichkeit (meinetwegen auch eine mathematische Beschreibung dieser Wirklichkeit) mechanisch zu verstehen, d.h. die unmittelbaren Ursachen und Agenzien darzustellen. Das macht man mit Modellen und Worten, die Kausalbeziehungen ausdrücken können.


Wir nehmen uns selbst als Subjekt wahr.

Nein, wir nehmen uns als Objekt wahr, wenn wir in den Spiegel sehen. Zum Subjekt machen wir uns in unserer geistigen, illusorischen Welt. Das ist keine Wahrnehmung, denn Wahrnehmung hat nur mit Objekten zu tun, nicht mit Gefühlen. Wir nehmen uns selbst nicht als Subjekt wahr, wir fühlen uns als Subjekt. Und das hat nichts in der Physik zu suchen.


Die Frage ist, ob die Physik sich auf Objekte mit Form und Lokation beschränken kann.

Die Antwort ist ja. Form und Lokation sind die Grundlagen der Mechanik, und alles ist Mechanik, auch wenn die Neo-Okkultisten der modernen Physik das nicht wahrhaben wollen.

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61-martin
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from 61-martin on 02/04/2012 09:36 PM

@ Raphael

 

Danke für die Antwort! Ich stimme damit überein, dass es eine Realität gibt, die unabhängig von uns da ist. Die Frage ist nur, ob wir klar erkennen, was da ist und was nicht. Es wäre naiv, diese Frage als klar beantwortet anzusehen. Man kann nicht die Erkenntnis-Ebene überspringen und so tun, als erkenne man die Welt immer genau so, wie sie ist.

Im Bereich der subatomaren Teilchen kann man die Frage nach der Deutung von Versuchsergebnissen nicht wegschieben. Zur Heidelberger Deutung kam man nicht aus Spaß, sondern weil die Ergebnisse nicht in das bisherige Weltbild passten.

Dass Licht als Objekt wahrgenommen wurde, ist eine historische Tatsache. Man kann nicht der ganzen Menschheit die eigene Weltanschauung unterschieben. Wir können anderen Menschen absprechen, dass sie es richtig wahrgenommen haben. Dann sollten wir aber auch zugeben, dass uns das genauso gehen kann.

>> Eine Beschreibung ist keine Erklärung, also keine Theorie.<<

Wissenschaftliche Erklärungen bestehen darin, dass die Wirklichkeit mathematisch beschrieben wird (Naturgesetzte) und die einzelnen Phänomene davon abgeleitet werden können. So habe ich „beschreiben" gemeint. Ich vermeide es, von „wissenschaftlicher Erklärung" zu sprechen, weil es einen Totalanspruch der Wissenschaft auf Wirklichkeit suggeriert, der eine Anmaßung ist.

>> Wir nehmen nur Objekte wahr.<<

Wir nehmen uns selbst als Subjekt wahr. Deshalb geht Existenz über das hinaus, was Form und Lokation hat. Dynamische Konzepte gehören zur Realität dazu, ohne sie kann man die Welt nicht angemessen beschreiben, Mir kommt es so vor, dass die alte cartesianische Spaltung in der Aufteilung Objekt – Konzept fröhliche Urständ feiert. Das ist mit meinem ganzheitlichen Materialismus nicht vereinbar.

Die Frage ist, ob die Physik sich auf Objekte mit Form und Lokation beschränken kann. Auch dies verneine ich, wenn mir nicht etwas Besseres als die Quantenphysik geboten wird.

Bestimmte Deutungen der Quantenphysik sind noch nicht festgeklopft (z. B. Fernwirkung bei verschränkten Teilchen, da gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten), bestimmte Überlegungen (wie Multiversen) halte ich auch für Quatsch. Aber muss man deshalb das Kind mit dem Bade ausschütten?

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Raphael
Admin

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Posts: 243

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from Raphael on 02/04/2012 05:34 PM

Martin schrieb:

Objekte existieren, wenn wir sie wahrnehmen und als Objekte anerkennen. Auf der Erkenntnis-Ebene sind Objekte völlig vom Menschen abhängig.

Objekte existieren, wenn sie Lokation haben. Ob sie vom Menschen wahrgenommen werden, spielt für ihre Existenz überhaupt keine Rolle. Der Computer vor Dir verschwindet nicht, nur weil Du die Augen schließt. Wir sprechen hier nicht von der Erkenntnisebene, also der Geisteswelt des Menschen, sondern von der Realität.

Seit Jahrtausenden haben Menschen Licht als Objekt wahrgenommen, denn sie sahen Lichtstrahlen und spürten deren Auswirkungen. Und irgendetwas muss es geben, das meine Netzhaut erreicht. Es wird nur schwierig sein, einem Phänomen, das (auch) Wellencharakter hat, Lokation und Form zuzuschreiben, egal, wie man es in Objekt und Bewegung aufteilt.

Niemand hat Licht jemals als Objekt wahrgenommen. Das ist vollkommen unmöglich, da Licht kein Objekt ist. Es ist ein dynamisches Konzept. Ein solches Konzept hat weder Form noch Lokation.

Die Quantenphysik kann das sehr gut beschreiben.

Eine Beschreibung ist keine Erklärung, also keine Theorie.

Vielleicht werden wir, wenn CERN Ergebnisse liefert, in wenigen Jahrzehnten die Grenze zwischen existent und nicht-existent anders ziehen.

Die Grenze zwischen existent und nicht-existent ist für immer und alle Zeiten festgeschrieben. Das, was Form und Lokation hat, existiert. Das, was keine Form hat, existiert nicht. Da können unsere Freunde am CERN noch so viel Geld vernichten und noch so viele unsinnige Teilchenkollisionen durchführen.

Aber eine saubere Aufteilung hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben.

Existieren: Form und Lokation besitzen. Nicht existieren: Keine Form besitzen.

Die von uns wahrnehmbaren Phänomene lassen sich nicht vollständig in wenige Schubladen packen.

In genau eine der zwei Schubladen (Objekt, Konzept) lassen sich diese Phänomene packen: Wir nehmen nur Objekte wahr.


Aber „Leben" ist ein Konzept, vielleicht ein dynamisches, aber es ist kein Objekt mit einer beschreibbaren Form.

Ja, deshalb bist Du auch noch nie spazierengegangen, plötzlich stehengeblieben, und hast verblüfft auf ein Objekt gezeigt, und es "Leben" genannt. Leben existiert nicht. Lebewesen existieren. Bestimmte Bewegungen von bestimmten Objekten werden als Leben bezeichnet. Also ein dynamisches Konzept. Die grundlegenden Objekte nennt man Proteine.


JayEl schrieb:

Der Zweck dieser Tätigkeit besteht darin, dass man nachher eine Vorstellung des Gegenstandes im Kopf hat, die dem existenten Gegenstand entspricht. Das Resultat von wissenschaftlicher Tätigkeit ist, dass sich selbständige, unabhängig vom Forscher-Subjekt existierende Gegenstände als das zeigen, was sie sind. Dann weiß man, was sie sind.

Dem stimme ich im Grunde zu. Physik ist einfach das Studium existierender Objekte (und ihrer Bewegungen). Abstrakte Konzepte werden in der Philosophie studiert. Was wir hier machen, ist über die Grundlagen der Physik zu sprechen. Daher betreiben wir nicht Physik selbst, sondern Physikphilosophie.


Martin schrieb:

Wissenschaft braucht Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie, also: Ohne Philosophie geht es nicht. Wer Wissenschaft ohne Konzept betreibt, handelt willkürlich. Man muss sich doch Rechenschaft geben, wie man das betreibt.

Da hast Du vollkommen recht. Wissenschaft braucht Philosophie, und Philosophie braucht Wissenschaft. Beides sind im Idealfall rationale Beschäftigungen des Menschen. Wir wollen ja Physik nicht ohne Konzept betreiben (den Prozeß der Physik), aber wir wollen nur Objekte in der Physik untersuchen (das Studienobjekt der Physik). Es ist wie ein Fußballspiel: Dort gibt es Regeln (Konzepte), die das Spiel bestimmen. Aber die Objekte des Spiels sind Ball, Spieler und Tore. Der hier vertretene Materialismus ist dazu da, der Gefahr zu entgehen, daß jemand glaubt, er könne die Fußballregeln buchstäblich mit Füßen treten (sie wie ein physisches Objekt behandeln).

Aber wieso wissen wir, dass dies mit dem Gegenstand übereinstimmt? Wir wissen doch nur, was wir messen. Messen ist eine Fokussierung auf bestimmte Daten, d. h. Wirklichkeit wird ausgeblendet. Wir gehen davon aus, dass diese Ausblendung von Wirklichkeit für die Erkenntnis eines Gegenstandes nicht gravierend ist – oft mag das so sein. Aber wissen können wir das nicht.

Nein, das können wir nicht, da hast Du recht. Wir nehmen es an und nennen diese Position "Materialismus". Das ist ein Teil unseres Weltbildes, welches man teilen kann, oder auch nicht.

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61-martin
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from 61-martin on 02/04/2012 01:55 PM

@ JayEl

 

In der Wissenschaft hängen Beobachtungen und Theorien in einem ewigen Kreislauf zusammen.

Wissenschaft braucht Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie, also: Ohne Philosophie geht es nicht. Wer Wissenschaft ohne Konzept betreibt, handelt willkürlich. Man muss sich doch Rechenschaft geben, wie man das betreibt.

Wir machen uns eine Vorstellung von Gegenständen im Kopf – da stimme ich zu. Aber wieso wissen wir, dass dies mit dem Gegenstand übereinstimmt? Wir wissen doch nur, was wir messen. Messen ist eine Fokussierung auf bestimmte Daten, d. h. Wirklichkeit wird ausgeblendet. Wir gehen davon aus, dass diese Ausblendung von Wirklichkeit für die Erkenntnis eines Gegenstandes nicht gravierend ist – oft mag das so sein. Aber wissen können wir das nicht.

Dass man durch Wissenschaft weiß, wie die Dinge an sich sind, ist ein Weltbild, das ich nicht teile. Ich bin kein Kantianer, aber hier hat I. Kant etwas Richtiges erkannt.

Wissenschaft braucht ein Weltbild, eines, das im Wandel ist, aber ein Weltbild. Wer das leugnet, hat ein festzementiertes Weltbild ...

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JayEl
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from JayEl on 02/04/2012 11:40 AM

Materialismus ist auch nur ein Konzept, aber ohne so ein Konzept (T. S. Kuhn: Theorierahmenkonzept = Paradigma) kann man überhaupt nicht von Objekten sprechen. Jede Philosophie, jede Kultur erschafft sich die Welt ein wenig anders.

Zu diesem Punkt von dir, 61-martin, habe ich einen Einwand: Es mag ja so sein, dass sich verschiedene Philosophien, Kulturen etc. die Welt ein wenig anders erschaffen, weil anders betrachtet haben. Aber mit Wissenschaft hat das nichts zu tun. Auch braucht es kein Konzept, um Wissenschaft zu betreiben.
Wissenschaft ist Erkenntnistätigkeit. Der Zweck dieser Tätigkeit besteht darin, dass man nachher eine Vorstellung des Gegenstandes im Kopf hat, die dem existenten Gegenstand entspricht. Das Resultat von wissenschaftlicher Tätigkeit ist, dass sich selbständige, unabhängig vom Forscher-Subjekt existierende Gegenstände als das zeigen, was sie sind. Dann weiß man, was sie sind.

Im Unterschied dazu werden Weltbilder so gestrickt, dass man die erfahrene Realität unter vorher feststehende Grundsätze oder Prinzipien subsumiert. Man ergründet dann nicht das Wesen der Sache, sondern interpretiert die Sache als ein Unterfall seines Weltbildes und fügt sie so in dieses ein.

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61-martin
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from 61-martin on 02/04/2012 11:15 AM

Objekte existieren, wenn wir sie wahrnehmen und als Objekte anerkennen. Auf der Erkenntnis-Ebene sind Objekte völlig vom Menschen abhängig. Unsere Erkenntnis ist Stückwerk. Deshalb wird es immer strittige Fragen geben, was existiert und was nicht.

Materialismus ist auch nur ein Konzept, aber ohne so ein Konzept (T. S. Kuhn: Theorierahmenkonzept = Paradigma) kann man überhaupt nicht von Objekten sprechen. Jede Philosophie, jede Kultur erschafft sich die Welt ein wenig anders.

Beispiel: Seit Jahrtausenden haben Menschen Licht als Objekt wahrgenommen, denn sie sahen Lichtstrahlen und spürten deren Auswirkungen. Und irgendetwas muss es geben, das meine Netzhaut erreicht. Es wird nur schwierig sein, einem Phänomen, das (auch) Wellencharakter hat, Lokation und Form zuzuschreiben, egal, wie man es in Objekt und Bewegung aufteilt.

Die Quantenphysik kann das sehr gut beschreiben. Ich wüsste nicht, wie man z. B. Mobiltelefonate und Photovoltaik ohne Quantenphysik beschreiben kann, sie ist im Moment eine der wenigen Teile der Physik, die experimentell gut abgesichert sind.

Vielleicht werden wir, wenn CERN Ergebnisse liefert, in wenigen Jahrzehnten die Grenze zwischen existent und nicht-existent anders ziehen. Man muss darüber streiten. Aber eine saubere Aufteilung hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben. Die von uns wahrnehmbaren Phänomene lassen sich nicht vollständig in wenige Schubladen packen. Wenn Materialismus das meint, ist er naiv.

[Wenn ich Materialismus, wie er hier vertreten wird, richtig verstehe, ist er Unsinn: Ich nehme mich selber als Lebewesen wahr. Aber „Leben" ist ein Konzept, vielleicht ein dynamisches, aber es ist kein Objekt mit einer beschreibbaren Form. Trotzdem existiere ich als Lebewesen. Leben kann nicht nur ein Konzept sein, weil es die Voraussetzung von allem ist, was wir denken und sagen.]

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JayEl
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Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

from JayEl on 02/03/2012 09:50 PM

Wir können uns als Beobachter nie ganz aus der beobachtenden Wirklichkeit heraus stehlen.

 

Müssen wir auch nicht. Wir sind einfach anwesende Objekte, deren physische Interaktion berücksichtigt werden muß. (Nicht jedoch die angebliche "Bewußtseinsinteraktion", die von der Esoterik und Quantenmechanik behauptet wird. Das ist Blödsinn.)

Eine sehr gelungene Antwort, weil Einfluss und Nicht-Einfluss des Beobachters klar und richtig unterschieden sind. Daher möchte ich sie gerne noch einmal hervorheben: Physikalisch ist der Beobachter zu berücksichtigen als der Körper, der er ist, geistig ist seine Anwesenheit nicht von Belang. Es macht für die Sache einfach keinen Unterschied, ob über sie nachgedacht wird oder nicht (außer vielleicht über die elektronischen Auswirkungen der Synapsen auf die Umgebung) und für den Beobachter ist es selbstverständlich, dass er beobachtet, also dabei ist. Aber diese Tatsache macht ihn weder voreingenommen seinem Gegenstand gegenüber noch beschränkt sie seine Gedanken.

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