Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

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JayEl
Gelöschter Benutzer

Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von JayEl am 13.01.2012 19:46

Ich möchte Raffaels Kritik an dem Satz, "Das Universum entstand aus dem Potenzia,l zu existieren.", ergänzen. Leider trifft man in verschiedenen Wissenschaften - aber auch im Alltag - immer wieder auf logisch falsche Erklärungen. Diese könnte man alle hier diskutieren.

Aussage:

Das Universum entstand aus dem Potenzial, zu existieren.

Die Aussage hat den Anspruch, zu erklären, wieso das Universum existiert.

Als Grund für die Existenz des Universums wird angeführt, dass es 1. die Möglichkeit zu seiner Existenz gab, die sich 2. als heute existierendes Universum äußert.

1. a) Die Möglichkeit der Existenz eines Objekts kann niemals der Grund für seine Existenz sein. Denn es bleibt damit ja ganz und gar unbestimmt, wieso aus der Möglichkeit Wirklichkeit wurde.

b) Besonders absurd ist diese Argumentationsform bezogen auf das Universum - also dem Sammelbegriff für alles Existente. Denn dann wird ja gesagt: Dass alles existiert, liegt daran, dass es die Möglichkeit gab/gibt, dass alles existieren kann. Bestenfalls eiine völlig inahaltsleere Aussage.

2.
Die Aussage völlig ernst genommen, wird hier das Universum als Äußerung einer Kraft dargestellt. Diese Kraft ("Potenzial, zu existieren") hat keinen anderen Inhalt als den zu erklärenden Gegenstand, das existente Universum, zu erschaffen. Woran sieht man, dass es diese Kraft geben muss? An ihrer Äußerung, dem existierenden Universum. Wieso gibt es das Universtum? Wegen der Kraft. Eine astreine Tautologie.

Hegel ist diese Art der Argumentation übel aufgestoßen, er bemerkt dazu in der "Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse" unter §136, folgendes:
Man pflegt zu sagen, daß die Natur der Kraft selbst unbekannt sei und nur ihre Äußerung erkannt werde. Einesteils ist die ganze Inhaltsbestimmung der Kraft ebendieselbe als die der Äußerung; die Erklärung einer Erscheinung aus einer Kraft ist deswegen eine leere Tautologie. Was unbekannt bleiben soll, ist also in der Tat nichts als die leere Form der Reflexion-in-sich, wodurch allein die Kraft von der Äußerung unterschieden ist, - eine Form, die ebenso etwas Wohlbekanntes ist. Diese Form tut zum Inhalte und zum Gesetze, welche nur aus der Erscheinung allein erkannt werden sollen, im geringsten nichts hinzu. Auch wird überall versichert, es solle damit über die Kraft nichts behauptet werden; es ist also nicht abzusehen, warum die Form von Kraft in die Wissenschaften eingeführt worden ist. - Andernteils ist aber die Natur der Kraft allerdings ein Unbekanntes, weil sowohl die Notwendigkeit des Zusammenhangs ihres Inhalts in sich selbst als [auch] desselben, insofern er für sich beschränkt ist und daher seine Bestimmtheit vermittels eines Anderen außer ihm hat, noch mangelt.


Es zeigt sich an den Argumentationsformen, wie lächerlich der Beweiszweck ist. Statt das konkret existierende erklären zu wollen, statt, erklären zu wollen, welche Bedingungen gegeben sein müssen und mussten, um die existierenden Objekte hervorzubringen, wird die Existenz als solche inhaltsleer in Frage gestellt: Kann eigentlich das existieren, was existiert? Ja, weil es die Möglichkeit dazu gab, existieren zu können. Eine religiös-philosophisch-spinnerte Frage mit entsprechender Antwort.


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Raphael
Administrator

44, Männlich

Beiträge: 243

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von Raphael am 15.01.2012 09:03

Sehr gut. Und dem Ganzen wird die Krone dadurch aufgesetzt, daß das Wort "Universum" überhaupt kein Objekt bezeichnet, sondern ein Konzept. Also ist nicht nur die Frage, ob ein existierendes Objekt existieren kann, hier eine "religiös-philosophisch-spinnerte" Frage, die Fehleinschätzung, Universum sei ein existierendes Objekt, gibt der Frage noch mal eine zusätzliche Dimension der Absurdität.

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61-martin
Gelöschter Benutzer

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von 61-martin am 03.02.2012 17:30

Ich stimme grundsätzlich mit der Kritik überein, vom Universum als einen Gegenstand zu reden. Doch ganz so einfach ist das nicht.

Denn die Aufteilung Gegenstand – Konzept setzt voraus, dass wir einen Gegenstand auch ohne Konzept haben. Das ist aber ein Irrtum. In der Teilchenphysik kommt dies zum Tragen: Wir können nur mittels Konzepte von dem sprechen, was davor sich geht, wir haben nur Modelle. Ob die Quantenphysik ein gutes oder schlechtes Konzept ist, ist da zweitrangig.

Wir können uns als Beobachter nie ganz aus der beobachtenden Wirklichkeit heraus stehlen. Unsere Sprache, mit der wir Gegenstände benennen, ist bereits ein Konzept.

Heisenberg hat in seiner „Ordnung der Wirklichkeit" die Dinge genau danach geordnet: Von der klassischen Physik her, wo man den Beobachter vernachlässigen kann bis zu Kunst und Religion. Die Quantenphysik spielt in diesem Aufsatz eine entscheidende Rolle.

Form und Lokation ist schwierig bei einer Welle. Wenn zum Beispiel Licht eine Welle ist, dann kann man es schwer als Gegenstand ansehen, also ist es ein Konzept. Trotzdem kann man Licht bestimmte Eigenschaften (Wellenlänge, Energie, ...) zuordnen.

Natürlich ist es eine Frage, ob Licht eine Welle ist. Aber noch kenne ich kein überzeugendes Konzept / Modell, das es anders macht.

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Anatol
Gelöschter Benutzer

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von Anatol am 03.02.2012 18:54

Wenn zum Beispiel Licht eine Welle ist, dann kann man es schwer als Gegenstand ansehen, also ist es ein Konzept. Trotzdem kann man Licht bestimmte Eigenschaften (Wellenlänge, Energie, ...) zuordnen.

Licht ist für mich ein reines Konzept, das auf keinen Fall verdinglicht werden darf. In der Realität gibt es nur unterschiedlich stark leuchtende Objekte, aber kein Licht weit und breit. Wellenlänge und Energie sind auch nur mathematische Konzepte, die zwar das Konzept Licht näher definieren, aber es nicht in die Realität überführen. Mit Licht als Welle konnte man anscheinend nur etwas in der Realität besser beschreiben.

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Raphael
Administrator

44, Männlich

Beiträge: 243

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von Raphael am 03.02.2012 21:32

Erst einmal willkommen Martin.

Denn die Aufteilung Gegenstand – Konzept setzt voraus, dass wir einen Gegenstand auch ohne Konzept haben.

Was bedeutet das: "wir haben einen Gegenstand"? Bedeutet es: Ein Gegenstand existiert? Dann stimmt es nicht, denn die Voraussetzungen für Existenz sind Form und Lokation. Mit Konzepten hat das nichts zu tun. Du hast recht, daß wir in unserer geistigen Welt Konzepte benutzen, um Objekte in Beziehung zueinander zu setzen. Aber die Grundannahme des Materialisten ist, daß Objekte völlig unabhängig vom Menschen existieren. Ich bin Materialist.

Wir können nur mittels Konzepte von dem sprechen, was davor sich geht, wir haben nur Modelle.

Ein Modell ist für mich eine dreidimensionale Repräsentation eines oder mehrerer Objekte. Das bedeutet, daß ein Modell keinesfalls ein Konzept ist. Ein Modell gibt die Form eines Objekts wieder. Ein Konzept ist hingegen das, was keine Form hat.

Wir können uns als Beobachter nie ganz aus der beobachtenden Wirklichkeit heraus stehlen.

Müssen wir auch nicht. Wir sind einfach anwesende Objekte, deren physische Interaktion berücksichtigt werden muß. (Nicht jedoch die angebliche "Bewußtseinsinteraktion", die von der Esoterik und Quantenmechanik behauptet wird. Das ist Blödsinn.)

Unsere Sprache, mit der wir Gegenstände benennen, ist bereits ein Konzept.

Worte sind Konzepte, gehören zur geistigen Welt des Menschen. Gegenstände sind Objekte, gehören zur natürlichen Welt.

Form und Lokation ist schwierig bei einer Welle. Wenn zum Beispiel Licht eine Welle ist, dann kann man es schwer als Gegenstand ansehen, also ist es ein Konzept. Trotzdem kann man Licht bestimmte Eigenschaften (Wellenlänge, Energie, ...) zuordnen.

Ich stimme Dir und Anatol insofern zu, als Licht tatsächlich ein Konzept ist. ABER: Es gibt abstrakte und dynamische Konzepte. Erstere haben in der Physik nichts zu suchen (Beispiel: Energie). Letztere sind Bewegungen von Objekten (Beispiel: Lawine, Regen, Welle). Licht ist ein dynamisches Konzept, d.h. es ist die Bewegung von (bislang nicht identifizierten) Objekten (in ein paar Tagen kommt dazu ein Video unter dem Titel "Einstein & Äther").

Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.02.2012 21:35.

JayEl
Gelöschter Benutzer

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von JayEl am 03.02.2012 21:50

Wir können uns als Beobachter nie ganz aus der beobachtenden Wirklichkeit heraus stehlen.

 

Müssen wir auch nicht. Wir sind einfach anwesende Objekte, deren physische Interaktion berücksichtigt werden muß. (Nicht jedoch die angebliche "Bewußtseinsinteraktion", die von der Esoterik und Quantenmechanik behauptet wird. Das ist Blödsinn.)

Eine sehr gelungene Antwort, weil Einfluss und Nicht-Einfluss des Beobachters klar und richtig unterschieden sind. Daher möchte ich sie gerne noch einmal hervorheben: Physikalisch ist der Beobachter zu berücksichtigen als der Körper, der er ist, geistig ist seine Anwesenheit nicht von Belang. Es macht für die Sache einfach keinen Unterschied, ob über sie nachgedacht wird oder nicht (außer vielleicht über die elektronischen Auswirkungen der Synapsen auf die Umgebung) und für den Beobachter ist es selbstverständlich, dass er beobachtet, also dabei ist. Aber diese Tatsache macht ihn weder voreingenommen seinem Gegenstand gegenüber noch beschränkt sie seine Gedanken.

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61-martin
Gelöschter Benutzer

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von 61-martin am 04.02.2012 11:15

Objekte existieren, wenn wir sie wahrnehmen und als Objekte anerkennen. Auf der Erkenntnis-Ebene sind Objekte völlig vom Menschen abhängig. Unsere Erkenntnis ist Stückwerk. Deshalb wird es immer strittige Fragen geben, was existiert und was nicht.

Materialismus ist auch nur ein Konzept, aber ohne so ein Konzept (T. S. Kuhn: Theorierahmenkonzept = Paradigma) kann man überhaupt nicht von Objekten sprechen. Jede Philosophie, jede Kultur erschafft sich die Welt ein wenig anders.

Beispiel: Seit Jahrtausenden haben Menschen Licht als Objekt wahrgenommen, denn sie sahen Lichtstrahlen und spürten deren Auswirkungen. Und irgendetwas muss es geben, das meine Netzhaut erreicht. Es wird nur schwierig sein, einem Phänomen, das (auch) Wellencharakter hat, Lokation und Form zuzuschreiben, egal, wie man es in Objekt und Bewegung aufteilt.

Die Quantenphysik kann das sehr gut beschreiben. Ich wüsste nicht, wie man z. B. Mobiltelefonate und Photovoltaik ohne Quantenphysik beschreiben kann, sie ist im Moment eine der wenigen Teile der Physik, die experimentell gut abgesichert sind.

Vielleicht werden wir, wenn CERN Ergebnisse liefert, in wenigen Jahrzehnten die Grenze zwischen existent und nicht-existent anders ziehen. Man muss darüber streiten. Aber eine saubere Aufteilung hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben. Die von uns wahrnehmbaren Phänomene lassen sich nicht vollständig in wenige Schubladen packen. Wenn Materialismus das meint, ist er naiv.

[Wenn ich Materialismus, wie er hier vertreten wird, richtig verstehe, ist er Unsinn: Ich nehme mich selber als Lebewesen wahr. Aber „Leben" ist ein Konzept, vielleicht ein dynamisches, aber es ist kein Objekt mit einer beschreibbaren Form. Trotzdem existiere ich als Lebewesen. Leben kann nicht nur ein Konzept sein, weil es die Voraussetzung von allem ist, was wir denken und sagen.]

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JayEl
Gelöschter Benutzer

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von JayEl am 04.02.2012 11:40

Materialismus ist auch nur ein Konzept, aber ohne so ein Konzept (T. S. Kuhn: Theorierahmenkonzept = Paradigma) kann man überhaupt nicht von Objekten sprechen. Jede Philosophie, jede Kultur erschafft sich die Welt ein wenig anders.

Zu diesem Punkt von dir, 61-martin, habe ich einen Einwand: Es mag ja so sein, dass sich verschiedene Philosophien, Kulturen etc. die Welt ein wenig anders erschaffen, weil anders betrachtet haben. Aber mit Wissenschaft hat das nichts zu tun. Auch braucht es kein Konzept, um Wissenschaft zu betreiben.
Wissenschaft ist Erkenntnistätigkeit. Der Zweck dieser Tätigkeit besteht darin, dass man nachher eine Vorstellung des Gegenstandes im Kopf hat, die dem existenten Gegenstand entspricht. Das Resultat von wissenschaftlicher Tätigkeit ist, dass sich selbständige, unabhängig vom Forscher-Subjekt existierende Gegenstände als das zeigen, was sie sind. Dann weiß man, was sie sind.

Im Unterschied dazu werden Weltbilder so gestrickt, dass man die erfahrene Realität unter vorher feststehende Grundsätze oder Prinzipien subsumiert. Man ergründet dann nicht das Wesen der Sache, sondern interpretiert die Sache als ein Unterfall seines Weltbildes und fügt sie so in dieses ein.

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61-martin
Gelöschter Benutzer

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von 61-martin am 04.02.2012 13:55

@ JayEl

 

In der Wissenschaft hängen Beobachtungen und Theorien in einem ewigen Kreislauf zusammen.

Wissenschaft braucht Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie, also: Ohne Philosophie geht es nicht. Wer Wissenschaft ohne Konzept betreibt, handelt willkürlich. Man muss sich doch Rechenschaft geben, wie man das betreibt.

Wir machen uns eine Vorstellung von Gegenständen im Kopf – da stimme ich zu. Aber wieso wissen wir, dass dies mit dem Gegenstand übereinstimmt? Wir wissen doch nur, was wir messen. Messen ist eine Fokussierung auf bestimmte Daten, d. h. Wirklichkeit wird ausgeblendet. Wir gehen davon aus, dass diese Ausblendung von Wirklichkeit für die Erkenntnis eines Gegenstandes nicht gravierend ist – oft mag das so sein. Aber wissen können wir das nicht.

Dass man durch Wissenschaft weiß, wie die Dinge an sich sind, ist ein Weltbild, das ich nicht teile. Ich bin kein Kantianer, aber hier hat I. Kant etwas Richtiges erkannt.

Wissenschaft braucht ein Weltbild, eines, das im Wandel ist, aber ein Weltbild. Wer das leugnet, hat ein festzementiertes Weltbild ...

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Raphael
Administrator

44, Männlich

Beiträge: 243

Re: Logische Fehler in der wissenschaftlichen Argumentation, insbesondere in der Kosmologie

von Raphael am 04.02.2012 17:34

Martin schrieb:

Objekte existieren, wenn wir sie wahrnehmen und als Objekte anerkennen. Auf der Erkenntnis-Ebene sind Objekte völlig vom Menschen abhängig.

Objekte existieren, wenn sie Lokation haben. Ob sie vom Menschen wahrgenommen werden, spielt für ihre Existenz überhaupt keine Rolle. Der Computer vor Dir verschwindet nicht, nur weil Du die Augen schließt. Wir sprechen hier nicht von der Erkenntnisebene, also der Geisteswelt des Menschen, sondern von der Realität.

Seit Jahrtausenden haben Menschen Licht als Objekt wahrgenommen, denn sie sahen Lichtstrahlen und spürten deren Auswirkungen. Und irgendetwas muss es geben, das meine Netzhaut erreicht. Es wird nur schwierig sein, einem Phänomen, das (auch) Wellencharakter hat, Lokation und Form zuzuschreiben, egal, wie man es in Objekt und Bewegung aufteilt.

Niemand hat Licht jemals als Objekt wahrgenommen. Das ist vollkommen unmöglich, da Licht kein Objekt ist. Es ist ein dynamisches Konzept. Ein solches Konzept hat weder Form noch Lokation.

Die Quantenphysik kann das sehr gut beschreiben.

Eine Beschreibung ist keine Erklärung, also keine Theorie.

Vielleicht werden wir, wenn CERN Ergebnisse liefert, in wenigen Jahrzehnten die Grenze zwischen existent und nicht-existent anders ziehen.

Die Grenze zwischen existent und nicht-existent ist für immer und alle Zeiten festgeschrieben. Das, was Form und Lokation hat, existiert. Das, was keine Form hat, existiert nicht. Da können unsere Freunde am CERN noch so viel Geld vernichten und noch so viele unsinnige Teilchenkollisionen durchführen.

Aber eine saubere Aufteilung hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben.

Existieren: Form und Lokation besitzen. Nicht existieren: Keine Form besitzen.

Die von uns wahrnehmbaren Phänomene lassen sich nicht vollständig in wenige Schubladen packen.

In genau eine der zwei Schubladen (Objekt, Konzept) lassen sich diese Phänomene packen: Wir nehmen nur Objekte wahr.


Aber „Leben" ist ein Konzept, vielleicht ein dynamisches, aber es ist kein Objekt mit einer beschreibbaren Form.

Ja, deshalb bist Du auch noch nie spazierengegangen, plötzlich stehengeblieben, und hast verblüfft auf ein Objekt gezeigt, und es "Leben" genannt. Leben existiert nicht. Lebewesen existieren. Bestimmte Bewegungen von bestimmten Objekten werden als Leben bezeichnet. Also ein dynamisches Konzept. Die grundlegenden Objekte nennt man Proteine.


JayEl schrieb:

Der Zweck dieser Tätigkeit besteht darin, dass man nachher eine Vorstellung des Gegenstandes im Kopf hat, die dem existenten Gegenstand entspricht. Das Resultat von wissenschaftlicher Tätigkeit ist, dass sich selbständige, unabhängig vom Forscher-Subjekt existierende Gegenstände als das zeigen, was sie sind. Dann weiß man, was sie sind.

Dem stimme ich im Grunde zu. Physik ist einfach das Studium existierender Objekte (und ihrer Bewegungen). Abstrakte Konzepte werden in der Philosophie studiert. Was wir hier machen, ist über die Grundlagen der Physik zu sprechen. Daher betreiben wir nicht Physik selbst, sondern Physikphilosophie.


Martin schrieb:

Wissenschaft braucht Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie, also: Ohne Philosophie geht es nicht. Wer Wissenschaft ohne Konzept betreibt, handelt willkürlich. Man muss sich doch Rechenschaft geben, wie man das betreibt.

Da hast Du vollkommen recht. Wissenschaft braucht Philosophie, und Philosophie braucht Wissenschaft. Beides sind im Idealfall rationale Beschäftigungen des Menschen. Wir wollen ja Physik nicht ohne Konzept betreiben (den Prozeß der Physik), aber wir wollen nur Objekte in der Physik untersuchen (das Studienobjekt der Physik). Es ist wie ein Fußballspiel: Dort gibt es Regeln (Konzepte), die das Spiel bestimmen. Aber die Objekte des Spiels sind Ball, Spieler und Tore. Der hier vertretene Materialismus ist dazu da, der Gefahr zu entgehen, daß jemand glaubt, er könne die Fußballregeln buchstäblich mit Füßen treten (sie wie ein physisches Objekt behandeln).

Aber wieso wissen wir, dass dies mit dem Gegenstand übereinstimmt? Wir wissen doch nur, was wir messen. Messen ist eine Fokussierung auf bestimmte Daten, d. h. Wirklichkeit wird ausgeblendet. Wir gehen davon aus, dass diese Ausblendung von Wirklichkeit für die Erkenntnis eines Gegenstandes nicht gravierend ist – oft mag das so sein. Aber wissen können wir das nicht.

Nein, das können wir nicht, da hast Du recht. Wir nehmen es an und nennen diese Position "Materialismus". Das ist ein Teil unseres Weltbildes, welches man teilen kann, oder auch nicht.

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