Gott ist ein Beschluss
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61-martin
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von 61-martin am 17.02.2012 23:02@ Darius
Sie setzen Kreationismus und Gottglaube gleich – das ist vielleicht Ihre persönliche Erfahrung, aber eine unzulässige Verallgemeinerung.
Staat und Glaube kann man nur trennen, wenn es den Glauben gibt. Wo bleibt bei Ihnen die Logik?
>>zwangsweise im unterbewussten Fanatismus<< Wenn es zwingend wäre, gäbe es keine Ausnahmen. Sind Milliarden Gläubige alle verbitterte Fanatiker? So etwas kann man nur im Karneval sagen.
Mehr als gewagt sind Ihre Schlussfolgerungen von einer „Güte Gottes" zu einem Dualismus zu einer Flucht in Traumwelten und Wahnvorstellungen. Sicher gibt es dualistische Religionen wie den Manichäismus. Ich habe selten so einen verquasten Wust an Halbwahrheiten in so wenigen Sätzen gelesen.
Diese Vorwürfe mögen Ihren negativen Erfahrung bei irgendwelchen Fundamentalisten entspringen.
Was ich allerdings noch nie gehört habe, dass jemand glaubt, alle (Gläubigen), die sterben, kommen aus dem Totenreich in diese Welt zurück. Das ist mit dem Glauben an die Auferstehung am Jüngsten Tag schwer vereinbar.
Es mag Ihre Ansicht sein, dass es Gut und Böse nicht gibt. Es ist auch eine Ansicht, dass das, was dem Leben dient, gut ist, und was ihm schadet, schlecht ist. Diese Ansicht teile ich und sie ist keinesfalls von momentanen Gefühlen abhängig.
Übrigens. Wenn ich etwas Falsches geschrieben habe, dann weisen Sie es mir nach. Was Sie als zirkulär empfinden, ist ein Parallelismus Membrorum.
Re: Gott ist ein Beschluss
von Darius am 18.02.2012 17:13@ 61-martin:
Unzulässig aus der Sicht eines Religiösen. Aus der Sicht eines befreiten Geistes in Bezug auf Gottglauben ist das Sezieren der Begriffe Kreator, Kreation, Kreationismus, Gott, etc nicht notwendig.
Dass Gottglaube von Religiösen ausgelebt wird, hat niemand bestritten. Dass Religiöse die Schaffung von "Gottesstaaten" anstreben ist bekannt. Daher die Notwendigkeit einer Trennung zwischen "Gottesstaaten" und von Menschen geschaffenen Gesellschaften. Eben in dieser Notwendigkeit liegt die Logik.
Der "wahre" Gottglaube schließt "halben, milden Fanatismus" aus, weil es keinen "halben, milden Glauben" gibt. Einem Gläubigen entzieht sich generell die Möglichkeit seinen eigenen Fanatismus objektiv zu beurteilen, wenn dieser bereits Einfluss auf sein Unterbewusstsein genommen hat. Würde ich Außenstehende, "Ungläubige" darum bitten Ihr Wirken in diesem Forum zu beurteilen, wäre "fanatisch" die häufigste Antwort. Trotzdem würden Sie sich weiterhin als "gläubig-liberal" bezeichnen.
Freude und Hoffnung! Eine super Frage! Altbewährtes zu hinterfragen ist der Schlüssel jeglicher Erkenntnis. Eine weitere, Ihrer persönlichen Geistesbefreiung dienende Frage wäre: Unterliege ich und Milliarden Menschen einer Wahnvorstellung? Beide Fragen sind zu bejahen.
Mein Wagnis schlußzufolgern Gottglaube führe zu dualer Unterscheidung zwischen "den Guten" (Gerechten) und "den Bösen" (Ungerechten) untermauert selbst die Bibel in dem abwegigen Konzept vom "Jüngsten Gericht":
„Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, [...] Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben." (Die Bibel, Mt 25,31–46)
Zu behaupten, ein "Türsteher" werde einer der beiden Gruppen den Eintritt ins "Paradies" gestatten, der anderen nicht, ist Zeugnis dualen Schwarz-Weiß-Denkens. Auf Menschen bezogen trägt es den Namen Rassismus. Das ist wahnsinnig.
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Ein diskussionswürdiges Thema ist nur dann eins, wenn von Teilnehmern gewählte Grundannahmen evoluierbar sind. Bei nicht evoluierbaren Annahmen bleibt eine Diskussion ergebnislos. Sie wird ad absurdum geführt. Gesunder, unvoreingenommener Verstand verbittet derartige Diskussionen. Würden Sie Ihre Grundannahme "Gott existiert" aufweichen, wäre es mir wert, diesem Post weiterhin "Energie" zuzuführen.
61-martin
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von 61-martin am 19.02.2012 00:04@ Darius
>>Aus der Sicht eines befreiten Geistes in Bezug auf Gottglauben ist das Sezieren der Begriffe Kreator, Kreation, Kreationismus, Gott, etc nicht notwendig.<<
Okay, ich nehme Ihre Weigerung, differenziert du denken, zur Kenntnis. Lesen Sie doch einfach mal entsprechende wikipedia-Artikel oder bessere, wenn sie sachlich bleiben wollen.
>>Dass Religiöse die Schaffung von "Gottesstaaten" anstreben ist bekannt.<<
Wahrscheinlich kennen Sie „De civitate dei" von Augustin höchstens vom Namen her und nicht Schriften von Martin Luther über die beiden Reiche. Jedenfalls ist bekannt, dass es Religionen gibt, die keinen Gottesstaat anstreben.
>>Einem Gläubigen entzieht sich generell die Möglichkeit seinen eigenen Fanatismus objektiv zu beurteilen<<
Ihre apodiktischen Sätze sind in keiner Weise objektiv und ohne Begründung. Okay, sie sehen mich als fanatisch an (was ich bei Ihren substanzarmen Argumenten auch von Ihnen sagen könnte) bzw. wechselweise als Ungläubigen.
Weiter nehme ich zur Kenntnis, dass Sie alle Gläubige als verbitterte Fanatiker ansehen, die Wahnvorstellungen haben. Schade, ich dachte, hier würde man sich sachlich auseinandersetzen und sich nicht beleidigen.
Was wäre, wenn ich allen Ungläubigen Wahnvorstellungen unterstelle, weil sie dem Wahn einer reduzierten Wirklichkeit unterliegen? Sie würden darüber genauso müde lächeln wie ich es bei Ihrer Beleidigung tue.
Ad: Dualismus:
Natürlich finden sich duale Aussagen in der Bibel. Aber genauso auch All-Aussagen: "Gott will, dass alle gerettet werden." Dualismus ergibt sich genau dann, wenn duale Aussagen absolut werden und die dem Dualismus entgegengesetzte Aussagen eliminiert werden. Dies ist in der Bibel nicht der Fall. Um es weniger philosophisch auszudrücken: In der Bibel wird Perus von Jesus Satan genannt, aber doch ist er weiterhin ein wichtiger Apostel. Die Bibel erzählt von dem Gemisch zwischen gut und böse, in dem wir drin sind und das in uns ist. Und von Gottes Gnade, die über Gute und Böse die Sonne scheinen lässt. In all dem stecken duale Aussagen, aber immer wird ein Dualismus gesprengt.
>>Bei nicht evoluierbaren Annahmen bleibt eine Diskussion ergebnislos.<<
Meine Grundannahmen sind evaluierbar, ich kann sie mit der Bibel belegen. Ihre Behauptungen sind dagegen leicht zu widerlegen.
Wie man sieht, haben Sie die dualistische Sicht irgendwelcher Fundamentalisten beibehalten (entweder radikaler Fundamentalist oder kein Gläubiger; Ablehnung jeglicher Differenzierungen).Ihnen fehlt der innere Abstand zu dem, was Ihnen Fundamentalsten eintrichterten. Für Ihre religiösen Traumatisierungen ist dieses Forum nicht der angemessene Therapieplatz. Den sollten sie woanders suchen.
Re: Gott ist ein Beschluss
von Raphael am 19.02.2012 08:47Das gesamte Problem dieser Debatten über Religion ist zum einen, daß hier zwei grundverschiedene Weltsichten aufeinanderprallen, die sich niemals miteinander vereinen lassen.
Rational: Irrational:
Materialismus Immaterialismus (Realität wird durch den Menschen erschaffen)
Objektivismus Subjektivismus (Glaube an Dinge, die keine Dinge sind)
Determinismus Indeterminismus (Glaube an Wirkungen ohne physische Ursache)
Wissenschaft/Philosophie Religion/Mystik/Esoterik
Intellektuell unvereinbar. Des weiteren können diese Grundüberzeugungen niemals bewiesen werden. Es macht keinen Sinn, über die Richtigkeit dieser Annahmen zu diskutieren. Man entscheidet sich für die eine oder andere Seite. Aber vielleicht ist "entscheiden" auch zu blauäugig. Die eigene Biographie, die eigene Kindheit, entscheidet eher darüber, auf welcher Seite man sich wiederfindet.
Das bringt uns zum zweiten, tieferliegenden Problem solcher Debatten:
Gottglaube ist die verzweifelte Anpassung eines schwer deprivierten Kindes an das irrationale Verhalten der Eltern. Solche Deprivationen löst man nicht durch intellektuelles Debattieren. Im Gegenteil: Das Intellektualisieren ist ein willkommener Prozeß des Ausagierens, des Vermeidens, sich mit dem eigenen Kindheitsschicksal auseinanderzusetzen, weil man sich höheren Autoritäten, höher als die eigene, restlos ergeben hat.
Persönlich glaube ich nicht, daß man daran in späteren Jahren etwas Fundamentales ändern kann. Die Irrationalität hat sich in der Gehirnchemie (z. B. in einem hohen Dopamingehalt) niedergeschlagen. Wenn es überhaupt einen Ausweg gibt, dann eine beschwerliche, jahrelange Therapie, in der sich der Abergläubige mit seinen Deprivationen und dem Verhalten seiner Eltern auseinandersetzt.
61-martin
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von 61-martin am 19.02.2012 14:03@ Raphael
Ich stimme zu, dass es um grundsätzliche Auffassungen geht, über die man schwer mit Argumenten beweisen kann, das gilt aber für beide Seiten.
Es ist auch schwer, darüber zu reden. So ist Ihre Aufteilung voll mit Wertungen. (Wenn man schon den Gegensatz zu rational bilden will, würde sich auch transrational oder überrational anbieten, irrational finde ich sachlich nicht angemessen.)Hier könnte man endlos debattieren.
Auch die dualistische Aufteilung ist mir suspekt. Mein subjektives Empfinden(Gefühle, Selbstbewusstsein) ist auch etwas Reales, aber schwer objektiv zu greifen. In den Humanwissenschaften kann man wohl kaum ohne subjektive Anteile auskommen. Gehören dann psychosomatische Überlegungen in den irrationalen Bereich, weil Wirkungen ohne physische Ursache geglaubt wird? Ich habe nicht den Eindruck, dass dieser strenge Dualismus dieser Welt gerecht wird.
>>Gottglaube ist die verzweifelte Anpassung eines schwer deprivierten Kindes an das irrationale Verhalten der Eltern.<< Dies ist die Deutung von Religion als Krankheit. Dies kann man aber nur sagen, wenn man als neutrale Person über den verschiedenen Grundauffassungen von Welt steht. Dies kann aber kein Mensch. Soll ich das jetzt als Größenwahn diagnostiozieren? Das wäre mindestens so wahr wie Ihre Ferndiagnose.
Ich erlebe bei Menschen sehr unterschiedliche Konstellationen. Bei einigen steht im Vordergrund, dass zur Aufarbeitung ihrer Kindheit auch Aufarbeitung eines krankmachenden Glaubens gehört, bei anderen hilft ihnen der Glaube, sich mit der eigenen Kindheit erst auseinander zu setzten.
All-Aussagen an dieser Stelle mit monokausalen Vorstellungen gehen weit an der Realität vorbei.
>>Abergläubige<< Aberglaube und Glaube sind für mich Gegensätze.
Re: Gott ist ein Beschluss
von Darius am 19.02.2012 15:28@ 61-martin:
Falls mein in Zynismus übergegangener Sarkasmus Sie persönlich angesprochen hat, dann tut es mir vor dem Hintergrund Ihrer themenbezogenen Belesenheit, wie auch Tiefgründigkeit, leid und ich entschuldige mich dafür. Gewählter Schreibstill und Inhalt meiner Formulierungen gelten den Religiösen, nicht Ihrer Person.
Georg
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von Georg am 19.02.2012 22:00Verallgemeinernde Betrachtungen des Glaubens sind sehr sinnvoll, um mal größere Zusammenhänge zu sehen und in ihnen zu denken. Allerdings halte ich es nicht für gewinnbringend, das zu absoluten, objektiven Gesetzmäßigkeiten machen zu wollen. Ich denke auch, dass die Zurückführung des Problems auf zwei antagonistische Weltbilder wie von Raphael konstruiert, an diesem Punkt nirgendwohin führt. Zudem finde ich, dass es durchaus möglich ist, auch über solche Grundüberzeugungen zu diskutieren und auch für sich selbst zu hinterfragen, wie sie entstehen und warum man überhaupt eine bestimmte Überzeugung hat.
Für mich wäre mal interessant, wie dein Glaube konkret aussieht Martin, und warum du von ihm überzeugt bist.
61-martin
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von 61-martin am 20.02.2012 02:04@ Georg
Glaube konkret:
Für mich ist der Glaube eine Beziehung mit dem auf und Ab, den Beziehungen so haben. Deswegen ist mein Glaube konkret nicht so einfach zu beschreiben wie es ein Muslim kann. Die Konstante ist das Gebrochene, mit Martin Luther kann ich sagen: Die Anfechtung, das Infragestellen des Glaubens (nicht nur intellektuell, sondern ganzheitlich), ist konstitutiv für den Glauben.
Die wichtigste Frage bei einer Beziehung ist, ob man dem anderen Vertrauen kann.
In der Bibel wird von Gott erzählt, dass er sich auf alle menschlichen Brüche einlässt und Widersprüche auf sich nimmt. (Selbst-)Kritik, schonungslose Ehrlichkeit und Stehenlassen von sich widersprechenden Traditionen sind dabei einzigartig in der Religionsgeschichte. Dieses, dass Gott sich von den Widersprüchen aufreiben lässt, hat sich auch bei Jesus von Nazareth ereignet. Die Liebe Gottes ist für mich glaubwürdig, weil sie durch den Tod erprobt ist.
Schlaglichter meines darauf aufbauenden fraktilen Glaubens:
Glaube ist für mich ein Leben aus der Gnade, die alle Moral durchkreuzt. Dabei sind mir alle Selbst-Rechtfertigungen genommen, ich habe mich den Brüchen, den Grenzen und der Schuld meines Lebens zu stellen. Was aber genau dadurch möglich wird, dass ich dabei von der Gnade Gottes getragen werde.
Hoffnung ist aktives Handeln, weil es nicht vergeblich ist, in dieser widersprüchlichen Welt nach Gottes Liebe zu leben.
Dies alles sind nicht nur Hirngespinste, sondern dokumentierte Geschichte. Niemand kann mir erklären, warum die Propheten Leib und Leben riskierten, nur um im eigenen Volk und im Brudervolk den Reichen und Mächtigen Korruption, Unterdrückung und das alles mit Hilfe des Mißbrauchs von Gottes Namen vorzuhalten. Wieso z. B. sollte der Kleintierhirte und Maulbeerzüchter Amos aus dem Südreich ins Nordreich gehen, um sich dort unbeliebt zu machen?
Um in der Sprache Raphaels zu sprechen: Gott ist ein dynamisches Konzept (lokale geschichtliche Ereignisse als dessen materielle Basis) genauso wie ich als Person oder andere Menschen, denen ich auch eine ich-bewusste Person zuspreche. Ebenso sind Beziehungen wie der Glaube Konzepte.
Aber genauso wie Leben und Beziehungen etwas Reales sind, sind Gott und Glaube etwas Reales. Hier weiche ich von Raphael ab, der, wenn ich es richtig verstanden habe, Leben als Hirngespinst begreift und nur Proteine als real ansieht.
Leben ist zielgerichtet, das ist mehr als nur mechanische Bewegung. Dass dies real ist, lasse ich mir nicht so leicht ausreden. Deswegen ist mein Wirklichkeits-begriff weiter als der von Raphael.
Georg
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von Georg am 23.02.2012 16:39Den eigentlich entscheidenden zweiten Teil meiner Frage sehe ich noch nicht beantwortet, also warum du davon überzeugt bist.
Also Glaube ist für dich eine Beziehung mit Gott. Warum glaubst du an seine Existenz?
"Die Liebe Gottes ist für mich glaubwürdig, weil sie durch den Tod erprobt ist." - Worauf beziehst du dich da?
Aus Überzeugung. Dass jemand von etwas überzeugt ist und der Überzeugung entsprechend handelt, bedeutet noch nicht, dass diese Überzeugung mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Warum glaubst du, dass Leben grundsätzlich zielgerichtet ist?
61-martin
Gelöschter Benutzer
Re: Gott ist ein Beschluss
von 61-martin am 24.02.2012 12:55@ Georg
„Leben ist zielgerichtet" Da habe ich auf Aristoteles zurück gegriffen, der Leben als das beschreibt, das ein Ziel (telos) in sich hat (= Entelechie). Ein Beispiel: Leben heißt Lebenswillen. Ohne das ist Evolution nicht beschreibbar. Leben kann man ohne die geistige Dimension der Zielgerichtetheit nicht angemessen beschreiben.
Ich vertrete auch einen Materialismus, Leben ist ja nicht leiblos, Geistiges ist immer materiegebunden. Ich will auch keinen Dualismus wie bei Descartes. (Übrigens: Raphaels Anschauung erinnert fatal an Descartes.) Aber Leben kann man nicht mit Mechanik beschreiben. Ich erfinde mal eine Schublade dafür: Pneumatischer Materialismus, statt machanistischer Materialismus.
Begründung des Glaubens:
Bei den historischen Beispielen aus der Bibel kann man natürlich nur sagen: Da wurde glaubwürdig geglaubt.
Aber was für einen Nachweis für Gott würdest du denn anerkennen?
Um es zu veranschaulichen: Ein Teilchen kann man nachweisen durch spezifische Effekte, die man in einem Experiment beobachten kann.
Die Frage ist doch: Ist Gott wie ein Teilchen, bei dem man einen Nachweis führen kann? Das setzt voraus, dass man Gott als einen Teil dieser Welt betrachtet, ein Ding, das einen Bruchteil des Universums ausmacht. Dies setzte ein bestimmtes Gottesbild voraus, das ich nicht teile. Nach Raphaels Definitionen kann Gott nicht existieren, oder er wäre nur ein niedliches „Göttleinchen".
Das zeigt aber auch, dass Raphaels Definitionen für Wissenschaft gemacht sind und nicht für die ganze Wirklichkeit, denn der Existenzbegriff ist von vornherein eingeschränkt.
(Raphael setzt in seinen Definitionen voraus, dass es keinen Gott gibt, weil darin für jemanden, der das Universum geschaffen hat, kein Platz ist. Und: O Wunder! Es kommt dabei heraus, dass es keinen Gott gibt. Es ist wie der Fischer, der ein Netz mit Fadenabstand 5 cm hat und herausfindet, dass alle Fische im Meer größer als 5 cm sind.
Von meinem Glauben her muss Wissenschaft atheistisch sein (in der Methode und damit auch in den Ergebnissen), weil ich zwischen Gott und seiner Schöpfung unterscheide. Diese religiöse Grundanlage sehe ich auch als eine Voraussetzung für die Entstehung der modernen Naturwissenschaft. Es ist wohl kein Zufall, dass viele Begründer der Naturwissenschaft tiefgläubige Menschen waren wie Newton.
Im Leben geht es aber nicht um Naturwissenschaft. (Auch wenn wir technische Ergebnisse der Naturwissenschaft nutzen.) Es geht um Beziehungen. Ich kenne keinen, der seine Ehe naturwissenschaftlich begründet, aber viele, die dabei auf Vertrauen gründen.
Plakativ gesagt: Vertrauen ist die Kategorie des Lebens, Nachweis die Kategorie toter Materie.
Vertrauen läuft aber auf der Ebene der Konzepte. Auch eine Person ist ein Konzept.
Nun, bei der toten Materie setze ich Gott jedenfalls nicht an.
Natürlich hast Raphael recht: Leben ist an Materie gebunden. Das ist bei Gott schwierig, weil er der Schöpfer ist und kein Teil seiner Schöpfung.
Dieser Satz ist im christlichen Glaube aber nur eingeschränkt richtig, denn Gott macht sich klein.
Wie bei einem Teilchen kann man ihn „nachweisen" durch indirekte Effekte, die er auslöst.
Ein Beispiel dafür hatte ich herausgegriffen: Die Berufung der Propheten. Nachweisen kann man nur, dass sie von Gott überzeugt waren, das ist richtig. Aber es ist noch etwas anderes dabei: Nämlich die Inhalte, die das „Profil" Gottes ausmachen.
In allen Kulturen rings um Israel hat Gott sich gegen die Feinde gewandt. In Israel richtet er sich auch gegen das eigene Volk. Wie kommt ein Hirte wie Amos dazu, sich gegen die offiziellen, vom König bezahlten Priester und Propheten zu stellen? Woher hat er das Sendungsbewusstsein, im Namen Jahwes zu sprechen? Das ist aus dem sozio-kulturellem Umfeld nicht ableitbar. Da kann man nur zur Kenntnis nehmen, dass er dies aus einer Begegnung mit Gott begründet.
Irgendwelche Erlebnisse müssen da gewesen sein, egal ob man die als Halluzinationen bezeichnet oder so etwas oder als wahr. Es ist einfach nur glaubwürdig.
Mein Glaube gründet also auf glaubwürdigen Geschichten. Sie können nur einen indirekten Hinweis auf Gott darstellen, keinen Nachweis, wie wir ihn von den Naturwissenschaften her gewohnt sind.
Ein anderes Beispiel: Die Auferstehung Jesu von den Toten.
Das Geschehen selber kann man nicht nachweisen. Es geht über das hinaus, was wir naturwissenschaftlich erfassen können. Trotzdem gibt es da am Rand Hinweise, die das glaubwürdig machen.
Beispiel:
Versetzen wir uns wie ein Kommissar in die damalige Lage: Da ist eine jüdische Sekte, die Jesus als Messias feiern und behaupten, er lebe. Nach der öffentlichen Hinrichtung von Jesus ist das schon ein Ding, das in Jerusalem zu behaupten. Es gab im ersten Jahrhundert viele jüdische Gruppierungen, die meinten, ihr Anführer wäre der Messias. Nach dessen Tod war die Bewegung zu Ende. Das ist auch vollkommen logisch: Denn ein Messias kann nicht scheitern. Ein Messias, der stirbt, ist kein Messias. Punkt. Fertig. Aus. Bei Jesus kam noch erschwerend hinzu, dass er am Holz starb. Die Kreuzigung galt bei den Juden als Todesart, von der Mose sagt: „Wer am Holz hängt, ist verflucht." Ein Verfluchter kann schon mal gar nicht der Messias sein, da beißt die Maus keinen Faden ab. Es ist völlig unmöglich, dass jemand nach seinem Kreuzestod noch als Messias angesehen werden kann. Ein Messias stirbt nicht, sondern wirft die Römer ins Mittelmeer. Jeder, der auch nur wenig Ahnung vom Judentum damals hat, wird das bestätigen.
Die Jesus-Gruppe macht es trotzdem. Es gibt keinen erkennbaren Grund dafür, außer, dass Jesus auferstanden ist.
Die Gruppe benimmt sich sowieso merkwürdig. Sie geben nichts auf Besitz, haben eine enorme Armenfürsorge, werden selber dadurch so bettelarm, dass Paulus später in Kleinasien und Griechenland für sie sammelt. Sie kämpfen nicht gegen die Römer, bleiben fromme Juden, die in den Tempel gehen und die jüdischen Feste feiern. Sie lassen sich einsperren und auch töten, weil sie an Jesus als Messias festhalten.
All das zusammen ergibt überhaupt keinen Sinn, das eine widerspricht dem anderen, außer wenn Jesus auferstanden ist.
Die Gruppe hat öffentlich klar gesagt, dass sie glauben, dass Jesus auferstanden ist. Innerhalb des Judentums war das natürlich eine leibliche Auferstehung. Damit war die Frage nach dem leeren Grab nicht unwichtig.
Ich will hier nicht jedes Detail beschreiben, aber eine Sache finde ich besonders spannend:
Gemeindeleitung und die Überlieferung waren von Anfang an in Männerhand. Männer vertraten die Gemeinde. Sie wollten natürlich alles glaubwürdig darstellen. Was nicht so glaubwürdig erschien, wurde umgebogen oder weggelassen. Eins davon ist die Sache mit den Frauen. Frauen galten als nicht so vertrauenswürdig, z. B. als Zeugen vor Gericht hatte im Zweifelsfall ein Mann Recht. Es wäre lachhaft gewesen, zu sagen: Jesus ist auferstanden, Frauen haben das leere Grab entdeckt, Frauen sind ihm zuerst begegnet. Die Leute hätten nur mit *lol* geantwortet.
Dies sauge ich mir nicht aus den Fingern. Paulus erwähnt zu Beginn von1. Korinther 15 ein Glaubensbekenntnis (eine Keimzelle des Apostolikums), die eine Liste von den Auferstehungs-Zeugen enthält. Das interessante an dieser Liste ist: Es kommen nur Männer vor, keine einzige Frau wird erwähnt. Wenn das kein Beweis dafür ist, dass die Männer Grund hatten, die Frauen wegzulassen.
(Dieses Glaubensbekenntnis ist übrigens sehr alt. Paulus sagt, dass er es überliefert bekommen hat, als er Christ wurde, und das waren 3-5 Jahre nach dem Tod Jesu.)
Jetzt der Höhepunkt des Krimis: Es gibt aber die Überlieferungen von den Frauen – sowohl, dass sie die ersten beim leeren Grab waren, als auch, dass sie die ersten waren, denen Jesus begegnet ist. Männer haben diese Geschichten überliefert und aufgeschrieben. Obwohl diese Geschichten den Männern nachweislich peinlich waren. Wie kommt es zu diesen Geschichten?
Nun, es ist klar, dass diese Geschichten nicht erfunden sein können. Geschichten, die einem peinlich sind erfindet man nicht. Es muss schon einen schwerwiegenden Grund geben, dass man diese Geschichten überliefert. Der einzige historisch erkennbare Grund ist: Diese Geschichten sind passiert. Da muss nicht jedes Detail stimmen, aber die grobe Geschichte eben.
In dem kurzen Glaubensbekenntnis ist noch ein zweites Detail: „Auferstanden am dritten Tage nach der Schrift." Im ganzen Alten Testament gibt es keine Stelle, die von einer Auferstehung am dritten Tag spricht. Man kann die drei Tage von Jona im Fisch anführen, aber das ist mehr als mager. Eine Ankündigung auf Jesus ist das nicht.
Wieso steht das denn da? Einzige Erklärung: Die Entdeckung, dass Jesus lebt (leere Grab, Begegnung mit dem Auferstandenen, geschah am 3. Tag. Dieser Tag war der Tag nach dem Sabbat. (entspricht vom Lebensgefühl unserem Montag) Die Jesus-Gruppe versammelte sich an diesem Tag, den sie „Tag des kyrios" nannten, wobei mit kyrios (Herr) Jesus gemeint war.
Der Sabbat war das wichtigste Gebot im Judentum. Ihn einfach um einen Tag zu verschieben hatte für einen Juden den gleichen Sinn, wie den Namen Gottes durch Zeus oder sowas zu ersetzen, nämlich gar keinen. Jedem frommen Juden muss das wie kulturelles Harakiri erscheinen. Die Jesus-Gruppe machte es trotzdem. Auch hier ist der historisch einzig greifbare Grund, dass der Auferstandene an einem Sonntag erschien.
Die Jesus-Gruppe hat in extrem kurzer Zeit mehrere kulturell-religiöse Explosionen durchgemacht. Dazu gehört auch, dass sie Jesus als kyrius anrufen: marana tha! Unser Herr, komm! Dieses aramäisch überlieferte Wort kann nur aus der Urgemeinde stammen, bevor weitere Gemeinden gegründet wurden. Nun ist in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes der Heilige Gottesname mit kyrios wiedergegeben. (Hinweis: Die Urgemeinde war zweisprachig: Aramäisch und griechisch.) Hier lief die fromme Gruppe Gefahr, den äußerst strengen Monotheismus über Bord zu werfen. Aber das wurde erst später als Problem reflektiert. Zunächst wird es einfach praktiziert. Ohne jeden inneren Protest!
Viele Konflikte sind im Neuen Testament erkennbar, aber hier: Nichts.
Historisch kann man nur sagen: Hier muss ein „Erdbeben" stattgefunden haben, dass so viele und so massive Umwälzungen hervorrief. Dass da irgendwelche Frauen Halluzinationen hatten, reicht dafür nicht aus. Es muss schon etwas Eindrückliches sein. Historisch ist da nichts zu greifen, außer eben, dass Jesus auferstanden ist.
Wie gesagt, das sind nur glaubwürdige Hinweise, keine naturwissenschaftlichen Nachweise.
Kurz gesagt: Ich glaube an diesen Gott, weil er glaubwürdig ist.
Natürlich gibt es noch ganz andere Ebenen, warum ich an Gott glaube: Hoffnung, Selbstbewusstsein und –annahme sind da beispielhafte Stichwörter.
Doch einen Hauptgrund habe ich bereits umrissen:
Ich habe erlebt, dass Gott mich in meinen Widersprüchen und Zweifeln umfängt.
Dies kann ich nicht trennen davon, dass Gott sich in der Person Jesus von Nazareth ereignet hat, gerade auch in seinem Sterben. Darauf beziehe ich mich bei der Liebe, die „durch den Tod erprobt ist."
Dazu hatte ich schon einiges geschrieben. Es beantwortet die Frage, warum dieser Gott glaubwürdig ist. Dies ist auf der Ebene des Vertrauens von erheblichem Gewicht.